Auf Eiersuche
im Badischen
Das größte
Open Europas (Angaben des Veranstalters) in Karlsruhe war, wie schon im
Vorjahr, zu Ostern wieder unser Anlaufpunkt. Sebastian sowie Holthusens
Keno Lübsen und Oldenburgs Maik Schäfer begleiteten uns. Dabei
teilten wir uns eine Wohnung im Herzen der Karlsruher Innenstadt. Diese
war auch ganz gut, aber Karlsruhe ist seit Jahren eine typisch deutsche
ewige Baustelle. Für 3km Fahrt muss man da schon mal 20 Minuten einplanen.
Wir reisten einen Tag
vor Turnierbeginn an, dies war entspannend und auch sonst im Turnier harmonierte
die Gruppe ganz vernünftig. Aber was zeichnet nun das neue Mekka des
deutschen Schach eigentlich aus? Die Spielbedingungen sind annehmbar. Man
hat genügend Platz und vernünftiges Spielmaterial (zumindest
im A-Open). Dennoch ist es halt eine Massenveranstaltung mit einem straffen
Spielplan und ziemlich unchristlichen Anstoßzeiten. Warum man morgens
um 9 Uhr anfangen muss, erschließt sich mir nicht.
Im A-Turnier spielen
ein paar Dutzend Großmeister, unter ihnen so namhafte Koryphäen
wie Bacrot und Kamsky. Die Auftaktrunde ist angesetzt für den Gründonnerstag
Abend, 18:30 Uhr, danach Doppelrunden täglich um 9 Uhr und 15 Uhr.
Da man aber noch die Auslosung des später startenden GM-Turniers und
andere zeremonielle Dinge vornehmen muss, startete die Donnerstagsrunde
kaum vor 19:30 Uhr. Wenn man dann 5 Stunden spielt, wie z.B. Sebastian,
ist es 00:30 Uhr. Und dann „darf“ man am nächsten Morgen um 9 Uhr
schon wieder am Brett sitzen.
Als Amateur kann man
vermutlich nicht viel sagen, aber für einen Kamsky muss es doch ein
Schlag ins Gesicht sein, unter solchen Bedingungen antreten zu müssen.
Carlsen lehnt ja z.B. generell Vormittagsrunden ab, er kennt Doppelrunden
ohnehin nur aus prähistorischen Zeiten. Für mich ist der späte
und dann noch verzögerte Anfang am Donnerstag eine Geringschätzung
der Teilnehmer im A-Open. Aber nun…
Das Turnier
Beginnen wir mit einem
Diagramm:
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Weiß am
Zug
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Dies ist eine Stellung
aus der Partie von Maik aus der 9. Runde. Was ist hier der beste weiße
Zug? Lösung folgt im Fazit.
Wir starteten im A-Open,
nur Maik versuchte es im B-Turnier. 9 Runden nach Schweizer System wurden
gespielt. Bedenkzeit: 2h/40+30min. In der Endspurtphase - mit weniger als
zwei Minuten Rest - kann man die Umstellung auf ein 5sekündiges Inkrement
fordern. Der Gegner kann allerdings in dem Moment ein Remis beantragen.
Schiedsrichter waren genügend vorhanden, sodass dies auch in der praktischen
Umsetzung gut funktionierte. Es folgt hier nun kein Turniertagebuch, sondern
eine Kurzbetrachtung nach Spielern:
Sebastian
Sebastians Turnier
war eine reine Pingpong-Veranstaltung - einem 2000er folgte immer ein 2400er.
Wie sang einst Herbert Grönemeyer? „Es macht alles keinen Sinn, und
wir mittendrin.“ Sebastian also mittendrin mit 2200. Bis zur letzten Runde
konnte er die Schwächeren besiegen, verlor allerdings auch gegen alle
Stärkeren. Dabei war lediglich gegen IM Frank Zeller etwas drin, die
anderen Partien gingen klar verloren. Das war zu wenig für ihn. Zwei
Siege musste er hart erkämpfen: In Runde 1 gab es eine Seeschlange
inklusive Läufer/Springer-Matt und in Runde 3 eine dramatische Bauernwalze
in einer eigentlich nicht mehr zu gewinnenden Stellung.
Diese drei Partien
schauen wir uns gleich näher an. Zuvor sollte man noch sagen, dass
die Serie dann in der letzten Runde riss mit einer Niederlage gegen einen
schwächeren Gegner. Unter dem Strich bedeutete das letztlich weder
Gewinn noch Verlust von Wertungspunkten. Und das war schlecht, da seine
Ratings zuletzt etwas heruntergegangen waren.
Runde
1 - Bast vs. Marschner (1972)
Seeschlange mit einem
Matt durch Springer und Läufer. Dies hatte Sebastian bereits einmal
in einer Langzeitpartie zeigen müssen, und zwar 2010 in Brakel gegen
Andre Wiege. In Karlsruhe tat sich der Oldenburger lange schwer, es umzusetzen,
besann sich aber mit anderthalb Minuten auf der Uhr doch noch des gewinnbringenden
W-Manövers.
Runde
3 - Bast vs. Englert (2012)
Gegen seinen 14jährigen
Gegner rührte Sebastian eine komplexe Stellung an. In dem Endspiel
und in beiderseitiger Zeitnot verpasste Bast viermal den Gewinn und überstand
zwei Verluststellungen, bevor er am Ende doch noch mit seinen Bauern durchlief.
Das war keine kindgerechte Behandlung.
Runde
6 - Zeller (2377) - Bast
Erneut eine komplexe
Stellung, in welcher der Meister zweimal kritisch steht. Bleibt die Frage,
inwiefern er dies jeweils in Kauf nahm, um Remisfortsetzungen auszuweichen.
Etwas schade am Ende für Sebastian, dass er die Chancen in dieser
Partie nicht nutzen konnte. Es war die einzige Begegnung gegen einen Favoriten,
in welcher für ihn reelle Möglichkeiten bestanden.
Frank
Meine Gegnerschaft
war etwas ausgeglichener besetzt: Alle hatten zwischen 2000 und 2050 Punkten.
Leider verpatzte ich den Start mit 0,5/4 völlig, wobei ich zumindest
in Runde 2 ein einfaches Remisendspiel wegstellte. Danach riss ich mich
zusammen und buchte 2,5 Punkte aus den folgenden vier Runden. Allerdings
war mehr drin: Bei den Remisen in den Runden 7 und 8 stand ich einmal sehr
gut (7) und einmal völlig auf Gewinn (8). In letztgenannter Partie
schlug die Schachblindheit zu - wie auch in der letzten Runde, wo ich eine
unnötige Null kassierte. Das führte zu leichten Verlusten im
Wertungsbereich.
Exemplarisch für
das Turnier meine Partie der 7. Runde. Ich war auch hier immer ruhig, konzentriert
und fast nur am Brett, aber am Ende reichte es meist nicht für mehr.
In den Verlustpartien schlug ich mich teilweise selbst, so in den Runden
2 und 9, und in der einzigen Gewinnpartie war der Punkt nicht herausgespielt,
sondern da war es ironischerweise mein Gegner, der sich selbst schlug.
Runde
6 - Frank vs Iglesias (2030)
In einer ausgeglichenen
Stellung kam Schwarz auf eine Taktik, die jedoch ein Loch hatte.
Runde
7 - Lehmann (2044) vs Frank
Eine Partie mit klaren
Vorteilen in der Eröffnung und dann nochmal im späteren Teil
der Partie, was aber ohne Erfolg blieb.
Keno und Maik
Keno und Maik spielten
vernünftige, resp. sehr gute Turniere. Keno hatte auch ein Pingpong-Spiel
à la Sebastian am Start. Viermal gelang ihm ein Sieg gegen </=
2000. Aus den Partien gegen die z.T. deutliche stärkere Konkurrenz
aber konnte er auch nur ein Remis verbuchen. Doch immerhin - ein Zuwachs
von 10 Wertungsunkten waren ein gutes Ergebnis, da er auch auf Höchststand
anreiste.
Maik spielte wie gesagt
im B-Open und er erzielte mit einer Performance von knapp 1900 ein sehr
gutes Ergebnis. Seine Resultate in Turnieren waren bislang etwas schwankend,
aber man darf nicht vergessen, dass er erst seit etwa anderthalb Jahren
überhaupt Turniere spielt. Und dafür hat er schon ganz ordentliche
Leistungen abgeliefert. So gewann er das B-Open beim Ems-Vechte-Cup und
seine Gruppe beim Bremer Hans-Wild-Turnier, beides im letzten Jahr. Anfang
2019 lief es weniger mit, aber nun hat er an die guten Leistungen wieder
anknüpfen können.
Runde
9 - Maik vs. Winker (1852)
In diesem kurzen Partiesegment
sehen wir eine kleine Taktik aus Maiks Schlussrundenpartie.
Fazit
Wie ist nun die Eingangsfrage
zu beantworten? Ja, das Turnier hat einen gewissen Charme, aber der Massencharakter
schimmert immer wieder durch. Ein Beispiel: In der letzten Runde wartete
ein Spieler an meinem Nachbarbrett vergeblich auf seinen Gegner und bekam
nach einer halben Stunde einen kampflosen Punkt. Da mir dies im letzten
Jahr auch widerfahren war, sprach ich mit einem Schiedsrichter. Dieser
war wie ich der Meinung, dass es eine Unsportlichkeit ist, einfach wegzubleiben
(er kann sich ja abmelden vor der letzten Runde), aber auf meine Anregung
hin, solche „Figuren“ für das nächste Jahr zu sperren, meinte
er nur, „es gäbe eine Liste.“
Nun ist dies ja auch
in der Tat nicht die Aufgabe eines Schiedsrichters, sondern die des Veranstalters,
diesbezüglich tätig zu werden. Leider fiel mir erst daheim ein,
mal zu prüfen, ob denn mein Gegner aus dem letzten Jahr diesmal wieder
teilgenommen hat - und er hatte. Abgesehen davon, dass ich es versäumt
hatte, ihm ein paar Worte in den Block zu husten, war es also Pustekuchen
mit einer entsprechenden Liste und man hat unwillkürlich den Eindruck,
dass es dem Veranstalter einfach um eine möglichst hohe Teilnehmerzahl
geht.
Dennoch: Wir hatten
eine vernünftige Zeit in Karlsruhe. Gute Bude (danke an Keno für
die Buchung!), entspannte Abende auf dem Balkon, nette Besuche der
Werderaner Spartak und David und natürlich und hauptsächlich
viele interessante Kampfpartien, auch wenn die Ausbeute am Ende nicht bei
allen zufriedenstellend war. Und so schlimm wie Autor Lothar Nikolaiczuk
es einst formulierte, war es nicht: "Bei Massenturnieren wird schon mal
auf dem falschen Formular notiert, die falsche Uhr gedrückt, am falschen
Kopf gekratzt..." Davon blieben wir verschont!
Hier noch die Lösung
der Aufgabe: 1. Lxa6! Die schwarze Dame ist überlastet: 1. … Dxa6
wird von 2. Txe7 beantwortet , und der Sf6 verliert seinen Halt. Maik spielte
so nicht, aber gewann die Partie später auf andere Weise, siehe oben.
Zuletzt noch der Link
zur Turnierseite:
Offizielle
Turnierseite
- frank modder,
30.04.2019
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Von links: El
Basto, der Autor, Mighty Maik und Keno
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