- Grenke Open, Karlsruhe, 2019 -
18.04. - 22.04.
 

Karlsruhe - Open mit Charme oder Massenabfertigung?
 
Auf Eiersuche im Badischen

Das größte Open Europas (Angaben des Veranstalters) in Karlsruhe war, wie schon im Vorjahr, zu Ostern wieder unser Anlaufpunkt. Sebastian sowie Holthusens Keno Lübsen und Oldenburgs Maik Schäfer begleiteten uns. Dabei teilten wir uns eine Wohnung im Herzen der Karlsruher Innenstadt. Diese war auch ganz gut, aber Karlsruhe ist seit Jahren eine typisch deutsche ewige Baustelle. Für 3km Fahrt muss man da schon mal 20 Minuten einplanen.

Wir reisten einen Tag vor Turnierbeginn an, dies war entspannend und auch sonst im Turnier harmonierte die Gruppe ganz vernünftig. Aber was zeichnet nun das neue Mekka des deutschen Schach eigentlich aus? Die Spielbedingungen sind annehmbar. Man hat genügend Platz und vernünftiges Spielmaterial (zumindest im A-Open). Dennoch ist es halt eine Massenveranstaltung mit einem straffen Spielplan und ziemlich unchristlichen Anstoßzeiten. Warum man morgens um 9 Uhr anfangen muss, erschließt sich mir nicht.

Im A-Turnier spielen ein paar Dutzend Großmeister, unter ihnen so namhafte Koryphäen wie Bacrot und Kamsky. Die Auftaktrunde ist angesetzt für den Gründonnerstag Abend, 18:30 Uhr, danach Doppelrunden täglich um 9 Uhr und 15 Uhr. Da man aber noch die Auslosung des später startenden GM-Turniers und andere zeremonielle Dinge vornehmen muss, startete die Donnerstagsrunde kaum vor 19:30 Uhr. Wenn man dann 5 Stunden spielt, wie z.B. Sebastian, ist es 00:30 Uhr. Und dann „darf“ man am nächsten Morgen um 9 Uhr schon wieder am Brett sitzen.

Als Amateur kann man vermutlich nicht viel sagen, aber für einen Kamsky muss es doch ein Schlag ins Gesicht sein, unter solchen Bedingungen antreten zu müssen. Carlsen lehnt ja z.B. generell Vormittagsrunden ab, er kennt Doppelrunden ohnehin nur aus prähistorischen Zeiten. Für mich ist der späte und dann noch verzögerte Anfang am Donnerstag eine Geringschätzung der Teilnehmer im A-Open. Aber nun…

Das Turnier

Beginnen wir mit einem Diagramm:
 

Weiß am Zug

Dies ist eine Stellung aus der Partie von Maik aus der 9. Runde. Was ist hier der beste weiße Zug? Lösung folgt im Fazit.

Wir starteten im A-Open, nur Maik versuchte es im B-Turnier. 9 Runden nach Schweizer System wurden gespielt. Bedenkzeit: 2h/40+30min. In der Endspurtphase - mit weniger als zwei Minuten Rest - kann man die Umstellung auf ein 5sekündiges Inkrement fordern. Der Gegner kann allerdings in dem Moment ein Remis beantragen. Schiedsrichter waren genügend vorhanden, sodass dies auch in der praktischen Umsetzung gut funktionierte. Es folgt hier nun kein Turniertagebuch, sondern eine Kurzbetrachtung nach Spielern:

Sebastian

Sebastians Turnier war eine reine Pingpong-Veranstaltung - einem 2000er folgte immer ein 2400er. Wie sang einst Herbert Grönemeyer? „Es macht alles keinen Sinn, und wir mittendrin.“ Sebastian also mittendrin mit 2200. Bis zur letzten Runde konnte er die Schwächeren besiegen, verlor allerdings auch gegen alle Stärkeren. Dabei war lediglich gegen IM Frank Zeller etwas drin, die anderen Partien gingen klar verloren. Das war zu wenig für ihn. Zwei Siege musste er hart erkämpfen: In Runde 1 gab es eine Seeschlange inklusive Läufer/Springer-Matt und in Runde 3 eine dramatische Bauernwalze in einer eigentlich nicht mehr zu gewinnenden Stellung.

Diese drei Partien schauen wir uns gleich näher an. Zuvor sollte man noch sagen, dass die Serie dann in der letzten Runde riss mit einer Niederlage gegen einen schwächeren Gegner. Unter dem Strich bedeutete das letztlich weder Gewinn noch Verlust von Wertungspunkten. Und das war schlecht, da seine Ratings zuletzt etwas heruntergegangen waren.

Runde 1 - Bast vs. Marschner (1972)

Seeschlange mit einem Matt durch Springer und Läufer. Dies hatte Sebastian bereits einmal in einer Langzeitpartie zeigen müssen, und zwar 2010 in Brakel gegen Andre Wiege. In Karlsruhe tat sich der Oldenburger lange schwer, es umzusetzen, besann sich aber mit anderthalb Minuten auf der Uhr doch noch des gewinnbringenden W-Manövers.

Runde 3 - Bast vs. Englert (2012)

Gegen seinen 14jährigen Gegner rührte Sebastian eine komplexe Stellung an. In dem Endspiel und in beiderseitiger Zeitnot verpasste Bast viermal den Gewinn und überstand zwei Verluststellungen, bevor er am Ende doch noch mit seinen Bauern durchlief. Das war keine kindgerechte Behandlung.

Runde 6 - Zeller (2377) - Bast

Erneut eine komplexe Stellung, in welcher der Meister zweimal kritisch steht. Bleibt die Frage, inwiefern er dies jeweils in Kauf nahm, um Remisfortsetzungen auszuweichen.  Etwas schade am Ende für Sebastian, dass er die Chancen in dieser Partie nicht nutzen konnte. Es war die einzige Begegnung gegen einen Favoriten, in welcher für ihn reelle Möglichkeiten bestanden.

Frank

Meine Gegnerschaft war etwas ausgeglichener besetzt: Alle hatten zwischen 2000 und 2050 Punkten. Leider verpatzte ich den Start mit 0,5/4 völlig, wobei ich zumindest in Runde 2 ein einfaches Remisendspiel wegstellte. Danach riss ich mich zusammen und buchte 2,5 Punkte aus den folgenden vier Runden. Allerdings war mehr drin: Bei den Remisen in den Runden 7 und 8 stand ich einmal sehr gut (7) und einmal völlig auf Gewinn (8). In letztgenannter Partie schlug die Schachblindheit zu - wie auch in der letzten Runde, wo ich eine unnötige Null kassierte. Das führte zu leichten Verlusten im Wertungsbereich.

Exemplarisch für das Turnier meine Partie der 7. Runde. Ich war auch hier immer ruhig, konzentriert und fast nur am Brett, aber am Ende reichte es meist nicht für mehr. In den Verlustpartien schlug ich mich teilweise selbst, so in den Runden 2 und 9, und in der einzigen Gewinnpartie war der Punkt nicht herausgespielt, sondern da war es ironischerweise mein Gegner, der sich selbst schlug.

Runde 6 - Frank vs Iglesias (2030)

In einer ausgeglichenen Stellung kam Schwarz auf eine Taktik, die jedoch ein Loch hatte. 

Runde 7 - Lehmann (2044) vs Frank

Eine Partie mit klaren Vorteilen in der Eröffnung und dann nochmal im späteren Teil der Partie, was aber ohne Erfolg blieb.

Keno und Maik

Keno und Maik spielten vernünftige, resp. sehr gute Turniere. Keno hatte auch ein Pingpong-Spiel à la Sebastian am Start. Viermal gelang ihm ein Sieg gegen </= 2000. Aus den Partien gegen die z.T. deutliche stärkere Konkurrenz aber konnte er auch nur ein Remis verbuchen. Doch immerhin - ein Zuwachs von 10 Wertungsunkten waren ein gutes Ergebnis, da er auch auf Höchststand anreiste.

Maik spielte wie gesagt im B-Open und er erzielte mit einer Performance von knapp 1900 ein sehr gutes Ergebnis. Seine Resultate in Turnieren waren bislang etwas schwankend, aber man darf nicht vergessen, dass er erst seit etwa anderthalb Jahren überhaupt Turniere spielt. Und dafür hat er schon ganz ordentliche Leistungen abgeliefert. So gewann er das B-Open beim Ems-Vechte-Cup und seine Gruppe beim Bremer Hans-Wild-Turnier, beides im letzten Jahr. Anfang 2019 lief es weniger mit, aber nun hat er an die guten Leistungen wieder anknüpfen können.

Runde 9 - Maik vs. Winker (1852)

In diesem kurzen Partiesegment sehen wir eine kleine Taktik aus Maiks Schlussrundenpartie.

Fazit

Wie ist nun die Eingangsfrage zu beantworten? Ja, das Turnier hat einen gewissen Charme, aber der Massencharakter schimmert immer wieder durch. Ein Beispiel: In der letzten Runde wartete ein Spieler an meinem Nachbarbrett vergeblich auf seinen Gegner und bekam nach einer halben Stunde einen kampflosen Punkt. Da mir dies im letzten Jahr auch widerfahren war, sprach ich mit einem Schiedsrichter. Dieser war wie ich der Meinung, dass es eine Unsportlichkeit ist, einfach wegzubleiben (er kann sich ja abmelden vor der letzten Runde), aber auf meine Anregung hin, solche „Figuren“ für das nächste Jahr zu sperren, meinte er nur, „es gäbe eine Liste.“

Nun ist dies ja auch in der Tat nicht die Aufgabe eines Schiedsrichters, sondern die des Veranstalters, diesbezüglich tätig zu werden. Leider fiel mir erst daheim ein, mal zu prüfen, ob denn mein Gegner aus dem letzten Jahr diesmal wieder teilgenommen hat - und er hatte. Abgesehen davon, dass ich es versäumt hatte, ihm ein paar Worte in den Block zu husten, war es also Pustekuchen mit einer entsprechenden Liste und man hat unwillkürlich den Eindruck, dass es dem Veranstalter einfach um eine möglichst hohe Teilnehmerzahl geht.

Dennoch: Wir hatten eine vernünftige Zeit in Karlsruhe. Gute Bude (danke an Keno für die Buchung!), entspannte Abende auf dem Balkon,  nette Besuche der Werderaner Spartak und David und natürlich und hauptsächlich viele interessante Kampfpartien, auch wenn die Ausbeute am Ende nicht bei allen zufriedenstellend war. Und so schlimm wie Autor Lothar Nikolaiczuk es einst formulierte, war es nicht: "Bei Massenturnieren wird schon mal auf dem falschen Formular notiert, die falsche Uhr gedrückt, am falschen Kopf gekratzt..." Davon blieben wir verschont!

Hier noch die Lösung der Aufgabe: 1. Lxa6! Die schwarze Dame ist überlastet: 1. … Dxa6 wird von 2. Txe7 beantwortet , und der Sf6 verliert seinen Halt. Maik spielte so nicht, aber gewann die Partie später auf andere Weise, siehe oben.

Zuletzt noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 30.04.2019
 

Von links: El Basto, der Autor, Mighty Maik und Keno